Kaum war unser Flugzeug auf dem Wiener Flughafen zum Stillstand gekommen, als über den Lautsprecher die folgenden Worte hörbar wurden:
»Gewiss, gewiss.« Der Führer der Delegation, ein vornehmer Gentleman- Typ mit grauen Schläfen, nickte verständnisvoll. »Darf ich Sie jetzt mit meinen Assistenten bekannt machen, lieber Professor . . . « Damit begann er, meine tapfere kleine Frau und mich die Empfangsreihe entlangzuführen, die sich mittlerweile mit lässiger Eleganz formiert hatte:
»Doktor Kishon, das ist Hofrat Professor Manfred Wasserlauf . . . Gestatten Sie, Professor Kishon, dass ich Ihnen Herrn Kommerzialrat Professor Doktor Steinach-Irdning vorstelle. . . und hier, Professor Kishon, ist unser Stadtverkehrsexperte, Parkrat Doktor Willy. . .« Dr. Willy war, wie sich alsbald herausstellte, der Fahrer unseres Wagens, präsentierte sich aber wie alle anderen in dunklem Anzug mit silbergrauer Krawatte. Er grüßte uns mit einer untadeligen Verbeugung, ehe er sich über die Hand meiner errötenden Ehefrau neigte und seinem wohltönenden »Küss die Hand, Gnädigste« die dazugehörige Aktion folgen ließ.
»Die sind meschugge«, raunte ich meiner Gefährtin zu. »Das kann doch unmöglich ernst gemeint sein.«
Auch ich habe anfänglich immer widersprochen, wenn man mich Professor nannte. Aber nach einiger Zeit gab ich nach. Es war sinnlos. Später fügte ich meinem Namen der Einfachheit halber ein >ach-Irdning<> Wie der einstige Mosche Stein uns weiter belehrte, bestand seit dem Tag, in dem Österreichs barocke Feudalmonarchie sich in eine gemäßigte demokratische Republik verwandelt hatte, unter den Einwohnern des Landes eine unstillbare Sehnsucht nach den klingenden Titeln der verklungenen Zeit.
»Hierzulande gibt es zum Beispiel keine Briefträger, sondern Postoberoffiziale«, erklärte uns der Kommerzialrat Professor Doktor. »Keine Kellner, sondern Ober. Keine Beamten, sondern Kanzleiräte. Und jeder führt außer seinem Amtstitel noch mindestens einen Doktor oder einen Professor. «»Und wo sind diese Titel erhältlich?«
Im Hotel angelangt, füllte ich den Meldezettel aus. Der Amtierende Verwaltungsrat für Hotelangelegenheiten, in manchen rückständigen Ländern »Portier« genannt, nahm mir das Formular aus der Hand, streifte mich mit einem tadelnden Blick und schrieb »Professor« vor meinen Namen. Nachdem er die ebenso vorsorglich wie nonchalant hingehaltene Hand meiner Gemahlin geküsst hatte, wies er uns zum Lift.
Wir glaubten bereits annähernd im Bilde zu sein, aber gleich darauf unterlief mir ein schwerer Schnitzer. Als wir wieder in die Halle zurückkamen, traten wir auf eines der wartenden Mitglieder des Empfangskomitees zu:
»Gestatten Sie, Professor«, sagte ich, auf meine Gattin deutend, »dass ich Sie mit meinem persönlichen Sekretariatsvorstand bekannt mache. «Zu meiner Überraschung ließ es der Angesprochene bei einem sehr flüchtigen Handkuss bewenden und wandte sich sichtlich verärgert ab.
»Haben Sie den Herrn vielleicht mit Professor angesprochen ?« fragte er aufgeregt.
»Hochverehrter Herr Hofrat Universitätsprofessor Privatdozent Doktordoktor wie geht es Ihnen ?«
»Allerdings, Herr Hofrat Universitätsprofessor Privatdozent Doktordoktor . . . «
Titel haben etwas für sich, es lässt sich nicht leugnen. Man sitzt beispielsweise in der Hotelhalle, sieht einen sehr jungen Professor in Liftboykleidung mit einer Namenstafel herankommen und hört ihn rufen: »Professor Doktor Ephraim Kishon zum Telefon, bitte!« Dagegen ist nichts
Man lässt ihn mehrmals die ganze Hotelhalle durcheilen und freut sich des Rufs. Wenn man gerade Lust hat, kann man sich auch selbst anrufen, damit man ausgerufen wird. Kein Wunder, dass uns beinahe das Herz brach, als wir die gastliche Hauptstadt der Republik Österreich verlassen mussten. »Professor«, sagte meine Frau, während wir in die El-Al-Maschine kletterten, »hier war es wirklich schön.«
»Wunderschön, Frau Doktor«, sagte ich und küsste ihr die Hand. »Küss die Hand.«
Über dem Mittelmeer verfiel ich in einen tiefen, levantinischen Schlummer. Im Traum erschien mir die erlauchte Gestalt des Kaisers Franz Joseph I. in strahlender, ordengeschmückter Uniform. »Majestät«, stotterte ich erschauernd. » Kaiserlich-Königlich Apostolische Majestät . . . Allergnädigster Herr . . . «
»Lass den Unsinn«, unterbrach mich der Gesalbte. »Sag Franzl zu mir.«
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